Strahlkraft ins gesamte Quartier
Neu, inspirierend und ein Beispiel für das Denken „out of the box“: dies zeichnet die drei Wohnprojekte aus, die Anfang Dezember auf einer Veranstaltung der Mitbauzentrale im PlanTreff vorgestellt wurde. Unter ihnen war wagnisWEST in Freiham, das Vorständin Rut Gollan (Foto oben) präsentierte.
Ihr zehnjähriges Bestehen feiert die Mitbauzentrale in diesem Jahr, dazu gibt es im PlanTreff eine Ausstellung (noch bis zum 20. Dezember), und auch eine Veranstaltungsreihe beleuchtete verschiedene Themen rund um gemeinschaftliches Wohnen. Zum Abschluss der Reihe begrüßte Natalie Schaller von der Mitbauzentrale rund 40 Zuhörer*innen im PlanTreff bei der Diskussionsrunde unter dem Titel „Hier lässt es sich gut wohnen“.
Bebauungsplan wurde weiterentwickelt
Beim Projekt wagnisWEST haben zum ersten Mal eine traditionsreiche und eine junge innovative Genossenschaft zusammengearbeitet, die München-West und die wagnis haben sich gemeinsam bewusst auf das Grundstück im Herzen des Quartiers beworben. In ihrem Vortrag skizzierte Rut Gollan, welche Gestaltungsspielräume bei diesem Vorhaben genutzt wurden. Ursprünglich habe der Bebauungsplan eine Reihenhausstruktur im Innern des Grundstücks vorgesehen. An dieser zentralen Stelle steht heute der Gemeinschaftsmacher mit vielfältigen Gemeinschaftsräumen im Erdgeschoss. Während sich im Süden in der sogenannten Microstadt die Bebauung verdichtet, öffnet sich nach Norden ein großzügiger grüner Hof. Auch das Brandschutzkonzept wurde weiterentwickelt. Die vorgesehenen umfangreichen versiegelten Flächen im Hof für die Anfahrt der Feuerwehr wurden deutlich reduziert, das brachte einen erheblichen Gewinn für einen attraktiven Freiraum. Darüber hinaus zeichnen eine differenzierte Abstufung von öffentlichen und privaten Zonen und ein Re-Use-Konzept mit der Verwendung von gebrauchten Materialien im Außenraum das Projekt aus. Rut Gollan bedankte sich bei allen Beteiligten für die Offenheit und Unterstützung in diesem Prozess, darunter die Stadt, die planenden Architekt*innen und die Baugruppe mit den künftigen Bewohner*innen.
Bunte Holzfassaden weichen vom Einheits-Beige ab
Nicht weit entfernt von wagnisWEST in Freiham liegt das Projekt Ute der Wogeno, das von Wogeno-Vorständin Yvonne Außmann vorgestellt wurde. „Wir haben auch nicht so gebaut wie gedacht“, sagte Außmann. Ein Team mit einem erfahrenen Architekturbüro und mehreren jungen innovativen Planer*innen realisierte das Projekt mit 82 Wohnungen. Entstanden sind drei unterschiedliche Baukörper mit bunten Holzfassaden, die einen kräftigen Akzent im üblichen Beige des Neubaugebiets setzen. Auch die runden Balkone, die an Calypso-Karusselle erinnern, weichen von üblichen Standards ab, sie sind nicht direkt von der Wohnung aus, sondern über den Laubengang zugänglich.
Gerade bezogen wird das Projekt des Mietshäuser Syndikats in der Görzer Straße 128 in Ramersdorf-Perlach, das Nicolas Boissel vom Hausverein und Gesche Bengtsson vom planenden Architekturbüro beschrieben. Auf dem Grundstück eines Einfamilienhauses ist ein dreigeschossiges Haus entstanden, das Platz für 12 Bewohner*innen in drei Clustern bietet. Wert wurde auf ein flexibles Raumkonzept mit schaltbaren Zimmerkonstellationen gelegt. Die künftigen Bewohner*innen haben viel Eigenarbeit in ihr neues Projekt gesteckt.
Sozialer Mehrwert für den ganzen Stadtteil
Maria Graf vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung betonte den Stellenwert von genossenschaftlichen Projekten für ein neues Stadtviertel: „Sie haben Strahlkraft ins gesamte Quartier.“ Das seien keine 08/15-Häuser, sondern sie erfüllten ästhetische Ansprüche und ökologische Kriterien. „Wenn wir zur Exkursion in einem Viertel sind, verpassen wir nie, an einem Genossenschaftsprojekt vorbeizugehen“, erzählte sie. Die Bewohner*innen der Genossenschaftsprojekte, die sich schon vor dem Einzug kennen, würden Gemeinschaft mitbringen. Das sei für die Entwicklung eines Quartiers sehr wichtig. Auch Gemeinschaftsräume, die angemietet werden könnten, oder Gewerbeflächen kämen dem ganzen Stadtteil zugute.
Yvonne Außmann und Rut Gollan unterstrichen den sozialen Mehrwert, den ein Genossenschaftsprojekt für ein Quartier bewirkt. „Wir wollen mehr als Wohnen schaffen, das ist ein Zuhause. So kann man auch in einem neuen Stadtteil schon beheimatet sein“, sagte Außmann. Und Rut Gollan hob hervor: „Wir schaffen Lebensräume. Mit unserem Projekten bauen wir Strukturen auf, die weit über den Planungsprozess hinausreichen und mehrere Generationen tragen.“
Auch wenn die Genossenschaften die Unterstützung durch die Stadt sehr schätzen, so haben sie noch Wünsche an die Stadt. „Die Anforderungen, mit denen wir konfrontiert werden, sind enorm“, kommentierte Yvonne Außmann. Rut Gollan merkte an, dass die wagnis für die Abweichungen vom Bebauungsplan in wagnisWEST einen erheblichen finanziellen Mehraufwand investieren musste. Auch sie hätte gern mehr Freiraum in der Gestaltung. Ihr Wunsch an die Stadt: wieder einmal ein sogenanntes „weißes Baufeld“ mit weniger Vorgaben aus dem Bebauungsplan wagen.